Demoaufruf
Der diesjährige „CSD Mittelhessen“ wird zum elften Mal ausgetragen. Wir freuen uns, wieder in Gießen sein zu dürfen. Es ist schön, zu den Wurzeln des CSD Mittelhessen zurückzukehren. Wir werden uns feiern und Liebe verbreiten. Denn wenn auch die Corona-Pandemie uns hat stiller werden lassen, sind wir nicht verstummt – jetzt werden wir umso lauter mit unseren Anliegen.
Denn bei den ganzen Feierlichkeiten gibt es Schattenseiten: Seit Jahrzehnten waren wir nicht mit einem Krieg in Europa konfrontiert. Wir teilen mit allen Menschen, die von dieser Situation betroffen sind, unser tiefstes Mitgefühl.
Ganz besondere Angst haben wir um Menschen, die schon im alltäglichen Leben mit Diskriminierung zu kämpfen haben und dadurch schnell vergessen gehen. Deswegen lasst uns mit dem CSD ein Zeichen setzen, dass wir für alle diese Menschen einstehen.
Wir müssen noch nicht einmal über die Grenzen Deutschlands hinaussehen – auch hier gibt es genügen Umstände, die Angst verbreiten:
Die Hasskriminalität nimmt zu und sexuell motivierte Gewalttaten stehen auch hier an der Tagesordnung. Die Aufarbeitung von Gewalttaten geht erst sehr langsam, wenn überhaupt, voran. Es fehlt an Mitteln und Engagement. Die Gesetze, die unserem Schutz dienen sollen, müssen auch angewandt oder geschaffen werden.
Das „Transsexuellen Gesetz“ gehört in der aktuellen Form abgeschafft. Hierzu wurde schon längst die medizinische Grundlage entzogen und es diskriminiert mehr als es nutzten würde.
Ebenfalls gehört das Grundgesetz reformiert: Der erweiterte Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes muss in Zukunft klarstellen: „Niemand darf wegen [...] seiner sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität [...] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Ebenfalls muss im Zuge der Anpassung das Wort „Rasse“ neu definiert werden. Hierzu müssen die Meinungen der Gesellschaft und der Interessenverbände der Betroffenen einbezogen werden.
Im Allgemeinen muss die Sprache genderspezifischer werden, denn Sprache macht sichtbar. Jede Facette der Vielfalt muss gesehen werden.
Dazu beitragen muss auch der Unterricht an Schulen: Der Lehrplan muss um die Geschichte der LGBT*IQA+ ergänzt werden. Wir dürfen es uns nicht nehmen lassen, dass jegliches Wissen, um die gesellschaftliche Vielfalt, verloren geht. Oder dass es Kindern und Jugendlichen verwehrt wird, sich so zu entfalten, wie sie es durch ihre Selbstbestimmung vorhergesehen ist. Wir müssen unserer Pflicht zur Unterstützung der persönlichen Entfaltung nachkommen.
Die Diskriminierung bei der Blutspende – von Männern, die Sex mit Männern haben –, muss beendet werden. Der Schutz vor sexuellen Krankheiten ist nicht von der Sexualität, sondern vom individuellen Schutzverhalten abhängig.
Wir haben es geschafft, dass vergangene Forderungen umgesetzt wurde – doch abgeschlossen ist das noch lange nicht.
Selbst bei der „Ehe für Alle“ gibt es noch Makel: Personen, die sich keines der Geschlechter weiblich oder männlich zugehörig fühlen, können nur unter erschwerten Bedingungen den Bund der Ehe eingehen. Schlimm ist auch die Tatsache, dass bei lesbischen Paaren, die ein Kind erwarten, nach der Geburt nicht automatisch beide als Elternteile im Geburtenregister eingetragen sind. Es muss der langwierige Weg der Stiefkindadoption genutzt werden, um als Mutter anerkannt zu werden.
Es gibt noch viel zu erreichen. Lasst es uns zusammen angehen und mit diesem CSD dafür einstehen.